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09.05.2017
Vortrag
„Die Inszenierungsgeschichte des ‚Rheingold‘ seit 1876“
Prof. Dr. Jürgen Schläder, Düsseldorf
Düsseldorf Professor für Theaterwissenschaft mit Schwerpunkt Musiktheater
Ludwig-Maximilians-Universität München

Dienstag, 9. Mai 2017 um 19:30 Uhr
Palais Wittgenstein
Bilker Strasse 7-9, 40213 Düsseldorf
Unkostenbeitrag: Mitglieder € 7, Gäste € 10, Schüler/Studenten frei


Der Vortrag


Das Rheingold ist ein auffällig eigenständig strukturiertes Bühnenwerk, das in seiner Form und seiner dramatischen Vielfältigkeit gänzlich anders strukturiert ist als die drei folgenden Teile des Ring des Nibelungen, und doch liefert das Rheingold alle Voraussetzungen für die dramatische Entwicklung in den folgenden Teilen. Diese Doppelstrategie der Eigenständigkeit und des Auftakts oder des Vorspiels zu Größerem, zum Eigentlichen, macht es inszenierungstechnisch besonders interessant.

Die mythische Handlung (Eingangsbild: „In der Tiefe des Rheines - Grünliche Dämmerung“) bedeutet für alle Regisseure seit der Uraufführung die blanke Herausforderung an ihre Fantasie und an ihr technisches Realisationsvermögen. Richard Wagner hat nirgends seine theatertechnische Kompetenz und seinen extrem modernen Ansatz im räumlichen Denken konkreter und einfallsreicher umgesetzt als in diesem Vorabend zur dreitägigen Geschichte um des Ring des Nibelungen. Die gesamte Handlung des Ring ist nach den Regeln unserer Wirklichkeit organisiert, allerdings mit einigen erheblichen Erweiterungen unserer erfahrbaren Realität. Mythische Wesen wie die drei Rheintöchter und der Zwerg Alberich können auch unter Wasser problemlos leben und agieren. Nur zwei Riesen sind in der Lage, in einer Nacht eine politische Kommandozentrale von ungekannter Größe und Massivität zu erbauen. Ein Tarnhelm verschafft seinem Besitzer die Möglichkeit der einfallsreichsten Verwandlung und der Unsichtbarkeit. Und schließlich bedeutet ein aus dem natürlichen Grundstoff Gold geschmiedeter Ring die grenzenlose Macht über die Welt. Im Rheingold wird also eine erweitere Realität entworfen, die der Zuschauer nicht buchstabengetreu für wahr nehmen, aber akzeptieren muss.

Wie inszeniert man den Grund des Rheins? Welches Erscheinungsbild hat die Machtzentrale, die nur Riesen bauen können? Wie führt man eine körperliche Verwandlung vor? Und schließlich: Wie symbolisiert man das Prinzip der Rechtsgewalt und der Herrscherkompetenz des obersten Gottes (Wotan)? Fragen, die in jeder Generation neu beantwortet und für die immer wieder andere Bilder auf dem Theater erfunden worden sind.

In stehenden und bewegten Bilder werden einige der wichtigen Inszenierungen seit der Uraufführung des Ring des Nibelungen für die szenischen Lösungen in Rheingold vorgestellt, darunter der Bayreuther Jahrhundert-Ring von 1976 (Regie: Patrice Chéreau), der Stuttgarter Ring von 1999 (Rheingold-Regie: Joachim Schlömer) und der erste konsequent postmodern inszenierte Münchner Ring von 2013 (Regie: Andreas Kriegenburg). Die Beispiele zeigen, dass jede Generation andere Bilder für den Ring erfindet und durch diese Bilder einen Blick für den inszenierten Mythos gewinnt – und es bleibt doch immer die Geschichte vom Rheingold, das zum Ring des Nibelungen wird.
 

Prof. Dr. Jürgen Schläder




Prof. Dr. Jürgen Schläder ist Theater- und Musikwissenschaftler. Er studierte Germanistik und Musikwissenschaft an der Ruhr-Universität Bochum und wurde 1978 in Musikwissenschaft mit der Dissertation „Undine auf dem Musiktheater. Zur Entwicklungsgeschichte der deutschen Spieloper“ promoviert. 1986 habilitierte er sich mit dem Thema „Das Opernduett. Ein Szenentypus des 19. Jahrhunderts und seine Vorgeschichte“. Ab 1987 war er Professor für Theaterwissenschaft mit dem Schwerpunkt Musiktheater an der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Seit Mitte 2014 ist er im Ruhestand.

Seine aktuellen Forschungsschwerpunkte sind: Ästhetische Grundlagen und Analyse des zeitgenössischen Regietheaters sowie experimentelle Formen des neuesten Musik- und Tanztheaters. Publikationen zum Regietheater: „OperMachtTheaterBilder“ (2006), „Der Ring, postdramatisch erzählt. Andreas Kriegenburgs Inszenierung von 2012, in: „Von der Welt Anfang und Ende“. Der Ring des Nibelungen in München, hg. v. Birgit Pargner (2013). Zum Gegenwartstheater: „Das Experiment der Grenze. Ästhetische Entwürfe im Neuesten Musiktheater „(2009).1985-1987 Pauschalist für Musikkritik (Konzert und Oper) bei der Rheinischen Post Düsseldorf. 1987 bis 2008 Moderator der WDR-Rundfunksendung „Klassikforum“ (WDR 3).